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Digital, flexibel, bürgernah: die Verwaltung der Zukunft

IT.Niedersachsen im Gespräch mit dem neuen niedersächsischen CIO Dr. Horst Baier


Niedersachsen hat seit 20. März einen neuen Chief Information Officer (CIO): Dr. Horst Baier leitet als IT-Bevollmächtigter die Stabsstelle „Informationstechnik der Landesverwaltung" im Niedersächsischen Ministerium für Inneres und Sport (MI). Seine neue Position trat er inmitten der Corona-Krise an. Sein Dienstgebäude in der Clemensstraße ist durch die Anordnung von Homeoffice menschenleer. „Via Skype und Telefon eine Beziehung aufzubauen, sich vorzustellen und anzukommen, ist abstrakter und herausfordernd.“ Gerade einmal eine Hand voll Kolleginnen und Kollegen konnte er bisher – mit Sicherheitsabstand – persönlich kennenlernen. Hierzu zählt IT.N-Geschäftsführer Axel Beims. „Es war mir ein wichtiges Anliegen, Herrn Beims gleich zu Beginn vor Ort persönlich kennenzulernen. IT.Niedersachsen ist schließlich der zentrale IT-Dienstleister des Landes Niedersachsen. Eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit hat für mich eine hohe Bedeutung“, so Baier. Nach dem Auftaktgespräch nahm sich der neue Landes-CIO die Zeit für ein persönliches Interview. Welche Erfahrungen er mitbringt, wie es sich anfühlt, mitten in der Corona-Lockdown-Phase einen neuen Job anzutreten und wie Verwaltung mit IT-Unterstützung 2030 aussehen könnte, lesen Sie im Folgenden.
IT.Niedersachsen-Geschäftsführer Axel Beims (links im Bild) gibt dem neuen CIO Dr. Horst Baier symbolisch die Hand. Corona-bedingt mit dem nötigen Abstand.   Bildrechte: IT.Niedersachsen
„Auf gute Zusammenarbeit!“ IT.Niedersachsen-Geschäftsführer Axel Beims (links im Bild) und der niedersächsische CIO Dr. Horst Baier Ende April – coronabedingt mit Sicherheitsabstand, aber immerhin persönlich.

Pragmatismus, Gestaltungslust und Spaß an der Arbeit

Mitten in der Corona-Lockdown-Phase trat Dr. Horst Baier seine neue Position an. Für den 57-Jährigen ein enormes Kontrastprogramm, denn bis zu seinem Wechsel gestaltete Dr. Baier acht Jahre lang als Bürgermeister die Geschicke der Samtgemeinde Bersenbrück. Eben war er noch Tag und Nacht als Kopf des Corona-Krisenmanagements mit extrem hoher Taktung im Einsatz und „plötzlich fand ich mich in einem völlig stillen Verwaltungsgebäude in Hannover wieder, mit lauter leeren Büros – irgendwie surreal“, sagt Baier. Inzwischen ist das schon fast zur neuen Normalität geworden. Obgleich dieser außergewöhnlichen Ausgangssituation freut sich der promovierte Volkswirt sehr auf seine neue Aufgabe. „Politisch zu arbeiten war sehr spannend, ich konnte viel bewegen. Aus den vielen umgesetzten Projekten lag mir eines besonders am Herzen: Mein Highlight war es, aus einer abrissreifen Immobilie das Naturschutz- und Bildungszentrum am Alfsee zu entwickeln. Das waren sechs Jahre intensive Überzeugungsarbeit und gleichzeitig hat es unheimlich Spaß gemacht. Das Ergebnis ist eine tolle Ausstellung für alle Generationen und eine Arbeitsstätte für viele Biologen und Naturschützer.“ Der Politikeralltag hatte neben Höhen auch Tiefen. Stets im Fokus der Öffentlichkeit und im Mittelpunkt politischer Kontroversen stehend, erlebte Baier wie viele Mandatsträger auch persönliche Angriffe. „Nun freue ich mich auf das Neue – eine Phase, in der ich fachlich neu gefordert bin und viel gestalten kann. Gerade tauche ich tief in die technischen Themen ein. Ich hatte schon immer großen Spaß daran, neue Dinge anzugehen und umzusetzen.“

Für Niedersachsen sieht Baier als die aktuell größte Herausforderung neben den Themen IT-Infrastruktur und IT-Sicherheit die Modernisierung der Verwaltung, einhergehend mit der Digitalisierung von über 570 Verwaltungsleistungen im Bundesland: „Die Aufgabe besteht darin, nicht nur Verwaltungsleistungen zu digitalisieren, sondern auch Prozesse und Abläufe so umzustellen, dass die neuen technischen Möglichkeiten auch einen Nutzen entfalten und akzeptiert werden. Dafür muss man alle Beteiligten mitnehmen.“ Dank seiner langjährigen Erfahrungen in der Kommunalpolitik versteht er es, Ziele und Botschaften verständlich zu vermitteln. Sein Pragmatismus hilft beim Umsetzen schneller und einfacher Lösungen. „Als Bürgermeister stehen die Bürgerinnen und Bürger sofort vor der Rathaustür, wenn Probleme vorhanden sind. Da sind schnelle Lösungen und eine gute Kommunikation gefragt. Zur Umsetzung von Zielen müssen Allianzen geschmiedet sowie Mehrheiten organisieren werden“, so CIO Baier. Diese Erfahrungen können beim Bewältigen der Aufgaben hilfreich sein.



IT-Infrastruktur: Vereinheitlichen und Zentralisieren

Die Arbeitsschwerpunkte des CIO des Landes Niedersachsen sind die Bereiche Verwaltungsmodernisierung, IT-Strategie und E-Government, Informations- und Cybersicherheit sowie IT-Infrastruktur. Neben der Digitalisierung der Verwaltung stelle Baier zufolge das zweitschwierigste Thema die IT-Infrastruktur dar. Als künftiges Mitglied des bundesdeutschen IT-Planungsrates weiß er um die „Herkulesaufgabe, auf Bundesebene IT zu standardisieren“. Diese Aufgabe setze sich auf Landesebene uneingeschränkt fort und sei auch in der Privatwirtschaft immer wieder eine Herausforderung. „Eine weitgehende Bündelung der IT der niedersächsischen Landesverwaltung hält Baier angesichts der besonderen fachlichen Anforderungen in jedem Ressort für falsch. Jedoch muss aus Gründen der Sicherheit und Wirtschaftlichkeit intensiv betrachtet werden, welche IT-Dienstleistungen eher zentral oder eher dezentral erbracht werden sollten“, so Baier. Beispielgebend für das Wahrnehmen zentraler Aufgaben ist das Management des niedersächsischen Landesdatennetzes durch IT.Niedersachsen.

Einen weiteren Schwerpunkt in seiner Arbeit sieht Baier in einem engeren Austausch mit den Kommunen und ihren IT-Dienstleistern. Nach seiner Einschätzung kann die Herausforderung der Digitalisierung nur gemeinsam geleistet werden, da die Kommunen im Auftrag von Bund und Land viele Verwaltungsleistungen vor Ort anbieten. Eine Schwierigkeit bei der Digitalisierung seien die großen Unterschiede beim Umsetzen der Gesetze trotz gleicher rechtlicher Rahmenbedingungen. Auch so eine scheinbar einfache Leistung wie eine Baumfällgenehmigung ist je nach Land und Kommune anders geregelt. „Während die einen den Radius erfassen, messen andere den Durchmesser eines Baumes und so weiter. Vor der Umsetzung von digitalen Prozessen stehen daher umfangreiche Koordinierungs- und Standardisierungsaufgaben“, so Baier.


Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung ist Kulturarbeit

Laut Deutschem Beamtenbund (dbb) und Tarifunion fehlen aktuell 300.000 Mitarbeitende in deutschen Behörden. In den kommenden zehn Jahren gehen bundesweit etwa 1,3 Millionen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes in den Ruhestand. In der IT-Branche sieht es ähnlich mau aus. So vermeldete der IT-Branchenverband Bitkom Ende letzten Jahres 124.000 offene Stellen für IT-Fachkräfte. Die Verwaltung steht deutschlandweit demzufolge vor großen Umbrüchen. Nachwuchs und Innovationen sind dringend notwendig. Entscheidend sei dabei das Weiterentwickeln der Verwaltungskultur sowie „welchen Einfluss die Digitalisierung und der demografische Wandel darauf nehmen“, sagt Dr. Horst Baier. Um für neue Generationen interessant zu sein, müssen zeitgemäße Arbeitsformen mittels IT unterstützt werden

„Der Wettbewerb um die schlausten Köpfe wird ein hartes Ringen. Dafür müssen wir das passende technische Umfeld bieten und ein attraktiver Arbeitgeber werden. Gleichzeitig brauchen wir hoch automatisierte Prozesse, da in Zukunft schlichtweg weniger Arbeitskräfte zur Verfügung stehen werden“, so Baier.

Zu einem attraktiven Arbeitsumfeld zählen auch mobile Arbeitsformen. Vielerorts hat die Corona-Krise für eine Art Homeoffice-Urknall gesorgt. Die Akzeptanz bei Arbeitgebern steigt gerade stark an. Homeoffice birgt für Baier Licht und Schatten, weshalb es für ihn „die Mischung macht“. Home und Office voneinander zu trennen, fällt schwer. Das erleben aktuell viele Menschen, so auch der CIO. Für ihn waren Beruf und Privates bisher immer eins: „Als Bürgermeister laufen viele Kontakte mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Politik abends und am Wochenende. Daher schaute ich oft und eigentlich zu viel auf das Handy“. Hin und wieder etwas mehr „digital detox“ statt „always on“ ist für Baier eine Herausforderung: „Runterzufahren und private und berufliche Zeit zu trennen, muss ich noch lernen. Ich befinde mich in der Umstellungsphase“, schmunzelt der Niedersachse. Ganz wichtig ist bei aller Digitalisierung für ihn auch „der Faktor Mensch“. Der kurze persönliche Austausch bei einem Kaffee oder zwischen Besprechungen fehlt im Homeoffice schlichtweg. Mittlerweile sehnen sich schon viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danach, wieder mal ins Büro zu kommen.


Verwaltung im Jahr 2030: Menschen für Menschen

CIO Baier möchte gern seinen Teil dazu beitragen, die niedersächsische Verwaltung mit seinen Erfahrungen und seiner Passion für Modernisierungsvorhaben weiterzuentwickeln. Das funktioniere nur, wenn auch die Menschen mitgenommen werden. Auch hierfür bringt er viel Erfahrung mit. So hat die Samtgemeinde Bersenbrück als eine der ersten Gemeinden in Niedersachsen Verwaltungsleistungen über ein digitales Portal im Angebot. Hundertprozentlösungen zu wollen, reduziere die Umsetzungsgeschwindigkeit zu stark. Seine Erfolgsformel war „ein pragmatisches Vorgehen, das Mitnehmen und Motivieren derjenigen, die damit arbeiten müssen, das Verstehen der Kundenseite und das Umsetzen möglichst durch eigenes Personal. Ein IT-affiner Mitarbeiter hat damals viele Formulare im Portal und die Prozesse dahinter selbst entwickelt. Er brachte Leidenschaft für die Aufgabe mit und wusste gleichzeitig, worauf es in der Praxis ankommt“, erzählt Baier.

Die Arbeit in der Verwaltung wird sich in den nächsten Jahren grundlegend verändern. Routinearbeiten übernehmen verstärkt digitale, automatisierte Prozesse unter Nutzung von Künstlicher Intelligenz. Der CIO macht deutlich: „Dadurch verliert niemand den Arbeitsplatz. Es minimiert die Arbeitslast, um mehr Zeit für komplizierte Fälle zu haben.“ Er ist sich sicher: „Wir stehen erst am Anfang der Entwicklung. Ich möchte erreichen, dass wir in der Verwaltung durch Digitalisierung den Raum gewinnen, um Innovationen vorantreiben zu können. Wir müssen transparenter werden, für die Bürgerinnen und Bürger ansprechbarer sein, mit ihnen über digitale Plattformen interagieren und für individuelle Nachfragen mehr Zeit haben.“ Eine Erfahrung hat Baier aber auch gemacht: „Digitalisierung gibt es nicht zum Nulltarif. Wer an dieser Stelle sparen will, riskiert den Anschluss an zukünftige Entwicklungen.“

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